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Montag, 12. Oktober 2009

{Rezension} Hiobs Brüder von Rebecca Gablé

Gebundene Ausgabe: 912 Seiten
ISBN: 3431037917 
Genre: Historischer Roman
Erscheinungsdatum: 09. Oktober 2009
Preis: 24,99 €



Flucht von der Isle von Whitholm

Im Jahr 1147 wird der unter Fallsucht leidende Simon de Clare auf die Isle of Whitholm vor der Küste Englands verbannt. Dort trifft er auf weitere Leidensgenossen, die alle geistig oder körperlich behindert sind und auf der Inselfestung ein menschenunwürdiges Leben führen müssen. Hier lebt auch Losian, der sein Gedächtnis verloren und mehr oder weniger die Verantwortung für die Bewohner der Insel übernommen hat, zu denen u.a. der Massenmörder Regy, die siamesischen Zwillinge Godric und Wulfric, der am Down-Syndrom leidende Oswald und die geistig Verwirrten Edmund und Luke zählen. Als sich nach einer Sturmflut die Möglichkeit zur Flucht ergibt, ergreifen sie diese. Unter der Führung von Losian macht sich die Gemeinschaft auf den Weg nach East Anglia und je länger die Reise dauert, desto mehr erkennt Losian, dass er nicht ganz unschuldig an dem jahrelang andauernden Bürgerkrieg zwischen König Stephen und Kaiserin Maud ist.

Die Geschichte beginnt mit der Ankunft von Simon auf der Inselfestung und sein erstes Zusammentreffen mit King Edmund. Dieser bildet sich ein, der wiedergeborene "Heilige Edmund" zu sein und der es nicht leiden kann, wenn in seiner Gegenwart geflucht wird. Dann wird aus dem heiligen Mann ein unbarmherziger Schläger. Außerdem gibt es da noch den liebenswerten, gutmütigen Oswald, der total auf Losian fixiert ist; Luke, der glaubt, dass in seinem Bauch eine Schlange lebt; die gutmütigen, hilfsbereiten Zwillinge und Reginald de Warenne! Dieser wird in Ketten gehalten, da man ansonsten jederzeit damit rechnen muss, dass er einem an die Kehle springt. Bei seiner Charakterbeschreibung hatte ich immer Sir Anthony Hopkins mit langen Zottelhaaren und -bart vor Augen. Der eigentliche Protagonist des Romans ist aber Losian, ein gebildeter Mann Mitte Zwanzig, der sich an seine Vergangenheit nicht mehr erinnern kann und entsprechend mit seinem Schicksal hadert. Das einzige was er weiß ist, dass er wohl ein Ritter gewesen sein muss, der im Heiligen Land war. Aber selbst hiermit kann er sich nicht sicher sein. Im Lauf der Romans findet er sein altes Leben wieder, ob er hiermit jedoch noch zurechtkommt, erzählt Rebecca Gablé im Lauf ihres Romans. Und zu guter Letzt noch Simon de Clare. Ein junger Adliger, der sich mit seiner Krankheit abgefunden und damit umzugehen gelernt hat und sich im Lauf der Geschichte vom verwöhnten Jüngling zum gestandenen Mann entwickelt.

Wieder einmal gelingt es Rebecca Gablé praktisch von der ersten Seite an, einen mit in das mittelalterliche England zu nehmen. Farbenprächtig und bildgewaltig erzählt sie die Geschichte von Losian und seinen Gefährten und dies dazu noch so fesselnd, rasant und spannend, dass man das Buch wirklich mal wieder nur schweren Herzens zur Seite legen kann.

Während des Lesens kommt natürlich auch wieder ihr schier unerschöpfliches Wissen der englischen Geschichte zum Vorschein. Problemlos gelingt es der Autorin, die verwinkelten Verwandtschaftsbeziehungen des englischen Hochadels des 12. Jahrhunderts verständlich zu skizzieren und die vielen Ränkespiele zu beschreiben, ohne auch nur einmal langweilig zu werden; ganz im Gegenteil.

Interessant ist auch, dass dieses Mal - im Gegensatz zur Waringham-Trilogie (Das Lächeln der Fortuna, Die Hüter der Rose, Das Spiel der Könige) - mehr der Fokus beim einfachen Volk liegt. Und hier ganz besonders die Schwierigkeiten aufgezeigt werden, mit denen sich geistig- und körperlich behinderte Menschen zu dieser Zeit auseinandersetzen mussten oder einfach auch nur Menschen, die etwas anders waren als das "gemeine Volk". So galt man als Aussätziger, wenn man unter Epilepsie litt oder als Besessener, wenn man eine Amnesie hatte. Anschaulich ist hier die Macht der Kirche, explizit der Kirchenmänner beschrieben, die einfach so einen gesunden Menschen als geistig behindert "abstempeln" konnten.

Fazit: Alles in allem ist Rebecca Gablé wieder ein praller, farbenprächtiger Roman gelungen, von dem man sich sehr gerne für ein paar Tage in das mittelalterliche England "entführen" lässt.

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