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Mittwoch, 6. Oktober 2010

{Rezension} Sturz der Titanen von Ken Follett

Übersetzer: Tina Dreher, Rainer Schumacher, Dietmar Schmidt
ISBN: 3785724063
Genre: Historischer Roman
Gebundene Ausgabe: 1022 Seiten
Erscheinungsdatum: 28. September 2010
Preis: 28,00 €



Mit Liebe zum Detail

Im ersten Teil seiner Trilogie behandelt Ken Follett die Anfänge des 20. Jahrhunderts von Juni 1911 bis Januar 1924. Anhand von verschiedenen Einzel- wie auch Familienschicksalen, die aus der Arbeiterschicht wie auch aus dem Hochadel stammen,  berichtet er über ihre Erlebnisse vor, während und nach dem 1. Weltkrieg und gibt somit einen sehr ausführlichen Einblick in die damalige Politik und somit zu den Ereignissen, die zum 1. Weltkrieg geführt haben.

Seine Protagonisten stammen aus den Ländern England, Deutschland, Russland und Amerika und hierdurch lernt man sehr gut die Sicht der einzelnen Länder und deren Mitwirken am Weltgeschehen kennen. Da ist zum einen der englische Earl Fitzherbert, genannt Fitz und seine russische Ehefrau, die Fürstin Bea. An deren Beispiel zeigt Ken Follett sehr gut, wie der damalige Hochadel mit dem niederen Volk umgegangen ist, sie sich für die Herrscher der Welt und des Empire gehalten haben, die Rechte des Volkes sie herzlich wenig interessiert haben und sie vor allem und auf keinen Fall etwas von einem Frauenwahlrecht hören wollten. Doch gerade Fitz muss sich hiermit des Öfteren auseinandersetzen, denn seine renitente und politikinteressierte Schwester Maud ist eine aktive Verfechterin des Frauenwahlrechts. Dann steht auf der anderen Seite die junge Haushälterin Ethel und ihr jüngerer Bruder Billy. Ethel arbeitet als Hausmädchen bei Fitz auf dessen Landsitz in Wales, ihr Bruder wie auch fast alle Männer des Dorfes arbeiten in den nahegelegenen Kohleminen. Die Bedingungen unter Tage sind eine Katastrophe und absolut menschenunwürdig. Der Einfluss der Gewerkschaft steht noch ganz am Anfang und so sind die Menschen dort der Willkür der „Hohen Herrn“ ausgesetzt.

Für Russland treten die Brüder Lew und Grigori an, der eine ein Lebemann, der andere gewissenhaft. Auch ihr Leben wird stark durch das unmenschliche Leben in Russland vor und vor allem während des Krieges beeinflusst und so führt der Weg des einen Bruders in die Revolution, während der andere sein Glück in Amerika versucht. Hier ist dann auch der Bezug zu einem weiteren Protagonisten hergestellt: Gus Dewar. Der junge Mann, dessen reiche Familie zum alten Adel bzw. zum alten Geld in Amerika zählt, arbeitet im Umfeld von Präsident Wilson und ist somit direkt am Zeitgeschehen dabei. Und dann gibt es natürlich auch noch den deutschen Mitwirkenden, vertreten durch den jungen Diplomaten Walter von Ulrich, der auch in den höchsten Rängen der Macht seinem Amt nachgeht.

Die Wege all dieser Personen kreuzen sich während der 1022 Seiten immer wieder, stellenweise wundert man sich zwar schon das eine oder andere Mal über diesen Zufall, doch Ken Follett gelingt es gut, dies meist logisch umzusetzen. Anfangs gelingt es ihm auch wieder sehr gut, eine dichte Atmosphäre aufzubauen und seinen Protagonisten schnell Konturen zu geben. Doch je mehr Seiten man liest, umso mehr verlieren sich seine Hauptdarsteller in dem Roman und manchmal hat man das Gefühl, dass sie nur Statisten für die eigentliche Geschichte sind: dem 1. Weltkrieg. So bleiben seine Charaktere dieses Mal etwas blass und was mich am meisten gestört hat: sehr vorhersehbar.

Allein durch die Dramatik der Geschichte ist natürlich von Anfang an eine hohe Spannung vorhanden, die sich zumeist auch komplett über den gesamten Roman hält und somit ist Ken Follett mit seinem ersten Teil der Trilogie ein opulenter, dicht erzählter Roman gelungen. Doch leider schwenkt der Schwerpunkt des Buches zum Ende hin immer mehr auf die politischen Aktivitäten, die Ränke- und Machtspiele des Krieges um und hierdurch tritt das private Leben seiner Protagonisten immer mehr in den Hintergrund, zumal sie alle maßgeblich am Ausgang des Krieges beteiligt sind, was dem Ganzen eine etwas einseitige Sicht gibt. Anfangs gelingt ihm dies noch hervorragend, während er dem Leser seine Protagonisten und deren Leben vorstellt, doch zum Ende hin überwiegt das Kriegsgeschehen an der Front und die Macht- und Ränkespiele der Politiker. Hier hat mir einfach ein wenig das Leben der „normalen“ Menschen gefehlt, wie sie den Krieg erleben, welche Einschränkungen ihnen der Krieg auferlegt, wie sie jeden Tag ums Überleben kämpfen.

Er geht zwar durch die Revolution in Russland hierauf ein und beschreibt sehr genau, warum es zur Revolution kam und somit die unmenschlichen Bedingungen unter denen das russische Volk während der Zarenzeit leben musste, aber dies nur, um den Sturz des Zaren und somit den Beweggrund der Bolschewisten zu erklären.

Sein Roman ist hervorragend recherchiert. Sehr anschaulich und vor allem sehr verständlich erzählt er die Gründe, wie es zum 1. Weltkrieg kam, wie die USA lange versucht, sich aus dem Krieg herauszuhalten, wie den Deutschen die Rolle der Kriegstreiber zugeschrieben wurde und warum Frankreich und England sich am Krieg beteiligen mussten. Gleichzeitig beleuchtet er auch die politischen Probleme der einzelnen Länder, so z. Bsp. den Kampf der englischen Frauen für das Frauenwahlrecht oder die Anfänge der Gewerkschaften für mehr Rechte für die Arbeiter. Allerdings wirkt dies stellenweise wie eine Geschichtsstunde und somit teilweise auch etwas langatmig.

Fazit: Wer sich sehr für die politischen Hintergründe des 1. Weltkrieges interessiert, wird von diesem Roman begeistert sein. Meiner Meinung nach fehlt ihm allerdings der Faszination von „Die Säulen der Erde“.

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