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Montag, 3. Januar 2011

(Rezension) Der gefrorene Rabbi von Steve Stern

Verlag: Blessing Verlag 
Übersetzer: Friedrich Mader
Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Genre: Roman
ISBN: 978-3-89667-436-4
Erscheinungsdatum: 10. Januar 2011
Preis: 21,95 €


Rabbi im Eis

Um seine erotischen Phantasien auszuleben, ist der junge Bernie in der heimischen Kühltruhe auf der Suche nach einem Stück Leber als er in den Tiefen der Kühltruhe eine etwas merkwürdig anmutende Person entdeckt. Als er sich beim Essen endlich dazu durchringt, seine Eltern darauf anzusprechen, erklären ihm diese ganz selbstverständlich, dass es  sich hierbei um den familieneigenen Rabbi handelt. Eine Art Familientradition väterlicherseits. Bernies Großvater hatte alle Einzelheiten zum Rabbi in einer Kladde notiert, das Ganze hat nur ein Problem: Das Buch ist in Jiddisch, welches keiner in der Familie mehr beherrscht. Anschließend macht die Geschichte einen Zeitsprung und erzählt über die Jahre 1889 – 1890. Rabbi Elieser ben Zephir ist ein Heiliger Mann, der oft meditiert, den Talmud wie kein Anderer beherrscht und während einer seiner Meditationen spurlos verschwindet. Seine Jünger suchen vergeblich nach ihm. Bis zum Winter bleibt er verschwunden, dann entdecken Josl und sein Sohn Salo den Rabbi, eingefroren im See.

In welches Genre dieses Buch passt, kann ich einfach nicht sagen. Einerseits ist es ein Familiendrama, dann wieder ein historischer Roman, nicht zu vergessen sind hier aber auch die vielfachen esoterischen Ansätze und dann driftet es wieder in ein Jugendbuch ab. Mir ist es auch ein Rätsel, welche Zielgruppe der Autor hier vor Augen hatte. Irgendwie wirkt alles etwas überladen, zu viele verschiedene Ansatzpunkte werden in den Roman gepackt, es ist einfach keine Richtung erkennbar, da auf nichts tiefgründiger eingegangen wird.

Hielt man anfangs die Geschichte der Gegenwart noch für eine witzig, skurrile Story, so driftet sie mit der Zeit immer mehr ins Esoterische ab, als Bernie beginnt, seine außerkörperlichen Reisen in den Himmel anzutreten. Während seine Seele auf Wanderschaft ist, merkt er nicht, was mit seinem Körper passiert. So kann es passieren, dass er plötzlich in einem Spind aufwacht und keine Ahnung hat, wie er da hingekommen ist. Und dies alles nur, weil er sich intensiv mit dem jüdischen Glauben beschäftigt.

Dann war ich eigentlich auch der Meinung, dass es hier hauptsächlich um den Rabbi und seine Erfahrungen im 21. Jahrhundert gehen würde, wieder eine falsche Interpretation der Kurzbeschreibung von meiner Seite. Jedoch wird dieser zwischenzeitlich nur am Rande – wenn überhaupt – erwähnt und die Story in der Gegenwart entwickelt sich zu einer pubertierenden Geschichte rund um Bernie.

Ja, und dann die vielen jüdischen Begriffe. Ich bin ja eigentlich immer offen für neue Informationen und freu mich auch, wenn ich einem Buch so ganz nebenbei etwas über fremde Kulturen oder andere Religionen kennen lernen kann. Aber hier ist dem Guten einfach zu viel. Im historischen Teil passt es ja noch ganz gut hinein, aber die verdrehten Satzstellungen und die jüdischen Begriffe auch in der Gegenwartsstory lesen zu müssen, war mir dann doch zu viel. Eigentlich kann es nicht die Absicht des Autors gewesen sein, dass Buch einem breiten Publikum zukommen zu lassen, dafür ist es einfach zu speziell. Aber hierüber wird in der Kurzbeschreibung nicht eingegangen und so geht man zwangsläufig unter falschen Voraussetzungen an das Buch. Ich weiß nicht, wie es bei der Gebundenen Ausgabe ist, aber bei meinem Leseexemplar war kein Glossar dabei, will heißen, ich musste jeden Begriff im Internet nachlesen, den ich nicht verstanden habe, und dass waren schon einige und das nervt.

Was mich ja dann doch immer wieder zum Weiterlesen ermutigt hat, war der historische Teil des Buches. Dieser ist wirklich interessant und unterhaltsam angelegt, auch wenn die vielen jüdischen Begriffe auch hier oft nerven. Allerdings musste ich auch feststellen, dass mir einige ganz geläufig waren, auch wenn ich sie auf den ersten Blick durch die jiddische Schreibweise nicht sofort erkannt habe.

Auch ist auffällig, dass die Figuren seltsam blass und konturenlos bleiben, kann natürlich auch sein, dass es nur mir so ging. Jedenfalls habe ich während des gesamten Buches von keiner Figur eine konkrete Vorstellung bekommen. 

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